Schluss mit dem Pflegenotstand – Altwerden darf nicht arm machen!

„Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“ – dieses bekannte deutsche Sprichwort beschreibt die Situation von immer mehr alten Menschen in unserem Land. Das Stichwort Altersarmut ist längst in aller Munde und wird nach Lage der Dinge künftig Millionen Deutsche betreffen. Vor allem Frauen, Alleinerziehende und Geringverdiener gehören zu den Gruppen, die künftig ihre Rente mit Grundsicherung aufstocken müssen. Das ist eines der größten Horrorszenarien der Zukunft.

Doch was schon heute hunderttausendfach in Deutschland stattfindet, ist der alltägliche Pflegenotstand. Es ist erfreulich, dass die Menschen im Durchschnitt immer älter werden. Das bringt aber auch eine Herausforderung mit sich, die die Politik in den letzten Jahren und Jahrzehnten sträflich vernachlässigt hat. In den letzten Lebensjahren sind viele Menschen auf eine professionelle Pflege angewiesen. Ob zu Hause oder in einem Pflegeheim – eine solche Pflege kostet viel Geld.

Die individuellen Kosten hängen von der jeweiligen Pflegestufe ab, aber da die gesetzliche Pflegeversicherung nur eine Teilversicherung ist, bleibt ein beträchtlicher Teil der Kosten bei den Betroffenen und ihren Familienangehörigen hängen. Im Jahr 2018 lag der Eigenanteil im Schnitt bei 1.700 Euro pro Monat. Viele Familien bringt das an die finanzielle Belastungsgrenze, wenn sie es sich überhaupt leisten können.

Der Pflegenotstand setzt sich in den Heimen und der ambulanten Pflege fort. Da die Bezahlung der Pflegekräfte in vielen Fällen unterirdisch ist und die gesellschaftliche Wertschätzung oft zu wünschen lässt, klagte die Branche seit Jahren über einen dramatischen Personalmangel. Das hat zur Folge, dass in vielen Heimen 20 und mehr Pflegebedürftige auf eine Pflegekraft kommen. Individuelle Versorgung ist so kaum möglich. Viele ambulante Pflegedienste nehmen keine neuen Kunden mehr an, weil sie ebenfalls heillos überlastet sind.

Das bringt einen weiteren Skandal mit sich: Laut einem neuen Forschungsprojekt der Universität Mainz arbeiten derzeit mindestens 150.000 irreguläre Pflegekräfte aus dem Ausland in Deutschland, weil deutsche Kräfte kaum noch verfügbar sind und weil sich auf diesem Wege Steuern, Sozialabgaben und Versicherungen einsparen lassen. Der Schwarzmarkt im Pflegesektor boomt, dem Missbrauch ist durch die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit Tür und Tor geöffnet.

Den Familien ist aber kein Vorwurf zu machen. Sie werden vom Staat, der diesen sozialen Sprengstoff seit Jahren ignoriert, im Stich gelassen. Sie wollen ihren Eltern und Großeltern einen würdigen Lebensabend ermöglichen, können sich dies aber oft schlichtweg nicht leisten.

Diese Entwicklung führt deutlich vor Augen: Wir sind kein so reiches Land, wie uns immer eingeredet wird. Wir haben im eigenen Land genügend drängende Aufgaben, die absolute Priorität vor der Umsorgung von Fremden haben müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Berufe in der Pflegebranche die finanzielle und ideelle Wertschätzung erfahren, die sie verdienen. Nur so kann der Beruf attraktiver und dem grassierenden Personalmangel entgegengewirkt werden. Auch muss die Pflegeversicherung auf eine so stabile Grundlage – notfalls mit Steuermitteln, die für andere Aufgaben ja stets und ständig verfügbar sind – gestellt werden, dass Altwerden nicht mehr zu Armut führt.

Wird der Pflegenotstand nicht schnellstmöglich als eine Herausforderung mit oberster Priorität begriffen, steht unser Land vor einer gewaltigen sozialen Katastrophe!  

Ronny Zasowk