Morgen ist der 3. Oktober – der Tag der deutschen Einheit. Für viele Politiker der etablierten Parteien ist das mal wieder ein schöner Anlass, sich auf Festlichkeiten blicken zu lassen, sich als „normale Menschen“ zu präsentieren und pathetische Reden zu halten. Da ist dann von den Fortschritten die Rede, die man doch erzielt habe. Die Wiedervereinigung wird dann als großes Erfolgsprojekt dargestellt.
Doch ist es bei Lichte betrachtet wirklich ein Erfolgsprojekt?
Noch heute sind ganze Regionen im Osten der Republik wirtschaftlich abgehängt, was dazu geführt hat, dass hunderttausende junge Menschen in den Westen oder gar ins Ausland abgewandert sind. Trotz vieler Versuche, mit „Rückkehrertagen“ und anderen symbolpolitischen Imagekampagnen junge Leute zur Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen, hat sich am Ausbluten und an der Verödung vieler vor allem ländlicher Gegenden nichts geändert.
Viele funktionierende Betriebe wurden nach der sogenannten „Wende“ von der Treuhand zerschlagen. Die Erwerbsbiographie von Millionen ehemaligen DDR-Bürgern war gebrochen, viele mussten beruflich ganz von vorne anfangen. Nicht wenige haben sich seither von einem zum nächsten prekären Beschäftigungsverhältnis geschleppt. Die durchschnittlichen Löhne und Gehälter und damit auch die Rentenansprüche hinken somit in den östlichen Bundesländern weiterhin hinterher. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen, wie sie auch das Grundgesetz fordert, kann bis heute keine Rede sein.
Wenn sich Politiker der etablierten Parteien mal wieder über das angebliche Selbstmitleid ehemaliger DDR-Bürger echauffieren, vergessen sie, dass nach der als „Erfolgsprojekt“ gepriesenen Wiedervereinigung die Lebensleistungen von Millionen Bürgern nicht angemessen gewürdigt wurden. Dem Osten der Republik wurde ein fertiges System übergestülpt, ohne darüber nachzudenken, eine Synthese aus positiven Elementen beider Systeme zu schaffen.
Die in den letzten Jahren zunehmenden Tiraden gegen vermeintlichen „Rechtsextremismus“ vor allem in Sachsen und Bezeichnungen wie „Dunkeldeutschland“ tun ihr Übriges dazu, dass die Skepsis gegenüber Vertretern eines Systems zunimmt, die meinen, den Bürgern mit bevormundendem Unterton erklären zu müssen, wie die Welt funktioniert und wie sie leben und denken sollen.
Den Vogel aber abgeschossen hat kürzlich die grüne Landtagspräsidentin von Baden-Württemberg, Muhterem Aras, indem sie behauptete, dass Ostdeutsche auch Migranten seien. Es zeugt nicht nur von juristischer Inkompetenz, sondern von beispielloser Arroganz, eine solche Aussage zu tätigen. Es gibt wohl keinen normalen Menschen in den neuen Bundesländern, der sich mit einer Person wie Frau Aras – einer echten Migrantin – auf eine Stufe stellen und gleichsetzen lassen möchte. Schon vor der Wiedervereinigung von West- und Mitteldeutschland hatten alle DDR-Bürger Anspruch auf die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik – weil sie trotz der von fremden Mächten erzwungenen Teilung Deutschlands Deutsche und eben keine Migranten waren!
Wenn morgen der Tag der deutschen Einheit begangen wird, muss festgehalten werden, dass diese Einheit weder mental noch politisch endgültig vollzogen wurde. Abgesehen davon, dass diese Wiedervereinigung völkerrechtlich ohnehin unvollständig war, weil nur West- und Mitteldeutschland zu einem Staatsgebiet vereinigt wurden, müssen die weiterhin bestehenden sozialen und ökonomischen Ungerechtigkeiten und Schieflagen endlich überwunden werden! Wichtigste Aufgabe einer echten Strukturpolitik muss es sein, endlich gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen.
Es kann nur zusammenwachsen, was zusammengehört, wenn die Lebensleistungen aller Deutschen endlich angemessen anerkannt werden. Dazu gehört auch, zu respektieren, dass viele Bürger im Osten der Republik keinerlei Interesse daran haben, Probleme, die dem Westen Deutschlands seit Jahrzehnten zugemutet werden – Überfremdung, kippende Stadtteile, Islamisierung – am eigenen Leib zu spüren zu bekommen.
Wenn es etwas gibt, was dem Osten der Republik bis heute als DDR-Überbleibsel erhalten geblieben ist, ist es gesunde Skepsis gegenüber der politischen Obrigkeit und den Medien. Und das ist auch gut so.
Ronny Zasowk