Ein Spitzeldienst wie der VS ist einer Demokratie unwürdig

RoteKarteDer NSU-Prozess in München schleppt sich mittlerweile schon über 270 Verhandlungstage dahin. Anfangs überboten sich die alarmierten Politiker der etablierten Parteien mit Vorwürfen, der sogenannte „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) sei der militärische Arm der NPD gewesen. Dies stellte sich bereits wenige Monate später als Phantasiegebilde sichtlich überforderter Innenpolitiker heraus, das von den Sicherheitsbehörden widerlegt wurde. Dennoch wurde die Hysterie um den sogenannten NSU zum Auslöser für das derzeit laufende Verbotsverfahren gegen die NPD.

In den letzten Jahren mussten zahlreiche Präsidenten der Verfassungsschutzämter und -abteilungen ihren Hut nehmen, weil offenkundig wurde, dass der Verfassungsschutz (VS) mindestens schlechte Arbeit geleistet, möglicherweise aber sogar frühzeitig von den mutmaßlichen NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Kenntnis hatte.

Nun haben mehrere Opferanwälte belastende Beweisanträge gestellt, mit denen sie schwere Vorwürfe gegen den brandenburgischen VS vorbringen. Ein vom brandenburgischen VS geführter V-Mann namens „Piatto“ soll im Jahr 1998 auf sein Handy eine SMS erhalten haben, in der es um die Beschaffung einer Schusswaffe ging. Auch soll der brandenburgische VS bereits im Jahr 1998 Kenntnis über den Aufenthaltsort des mutmaßlichen NSU-Trios gehabt haben, das wenige Monate vorher vor der Polizei in Jena geflohen war. Um ihren Informanten zu schützen, sollen die brandenburgischen Verfassungsschützer wichtige Informationen nicht an die Thüringer Ermittlungsbehörden weitergeleitet und somit eine Festnahme vereitelt haben. Den ersten Mord sollen Mundlos und Böhnhardt im Jahr 2000 begangen haben, daraufhin ereigneten sich noch neun weitere Morde, die ihnen zur Last gelegt wurden.

Der Opferanwalt Kienzle sagte dazu nun wörtlich: „Das Landesamt für Verfassungsschutz in Brandenburg hat 1998 die Ergreifung der drei untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe allein aus Gründen des Quellenschutzes vereitelt. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Brandenburg hat damit die Mordserie des NSU mit ermöglicht.“ Und weiter: „Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos hätten festgenommen werden können, sodass die vom NSU begangenen Morde, Banküberfälle und Sprengstoffanschläge nicht stattgefunden hätten.“

Einige der brandenburgischen Landtagsparteien sprechen sich nun für die Einrichtung eines NSU-Untersuchungsausschusses auch in Brandenburg aus. Das wäre zu begrüßen, doch nachhaltiger und vernünftiger wäre es wohl, den Verfassungsschutz abzuschaffen, der mit solchen Machenschaften, wie sie besonders im Rahmen des NSU-Verfahrens offenkundig wurden, einer Demokratie und eines Rechtsstaates unwürdig ist.

Der Verfassungsschutz schützt die Verfassung so wenig wie das Frostschutzmittel den Frost schützt.

Ronny Zasowk