Innenministerium für Staatssicherheit in Cottbus – Dritter gemeldeter Anwerbeversuch 2010

Als die Schriftstellerin Christa Wolf im Jahre 1976 den “offenen Brief” gegen die Ausbürgerung Biermanns aus der DDR mitunterzeichnete, wandelte sich die schon seit 1969 bestehende verdeckte Überwachung durch die Staatssicherheit in eine offene. Von den Folgen der Beobachtung in dieser Zeit, die dadurch ausgelösten Gefühle, Selbstbefragungen und Veränderungen in ihrem alltäglichen Leben, handelt die 1979 verfasste Erzählung “Was bleibt”, in der sie sich die Frage stellt, warum die Männer, die seit Wochen im Auto vor ihrer Wohnung sitzen, keinen anständigen Beruf gelernt haben, der auch einen wirklichen Nutzen für das Volk bringt und nicht nur wertvolle Lebenszeit vergeudet.

Das liegt heute Jahre zurück, ereignete sich in einem Staat, der 1989 zu Fall gebracht wurde und einen Geheimdienst von bis dahin ungeahntem Ausmaß offen legte. Über 91.000 hauptamtliche und annähernd 180.000 inoffizielle Mitarbeiter verfügte das MfS im Jahre 1989, mit denen die Bevölkerung nahezu vollständig überwacht wurde, um den Widerstand gegen die Herrschaft der SED-Diktatur auszuschalten. Mit der friedlichen Revolution sollte dem ein Ende gesetzt werden, so dachten viele derer, die vor 20 Jahren “Wir sind das Volk” rufend auf die Straßen gingen – doch verändert hat sich tatsächlich nicht viel und die Männer, zu denen sich Christa Wolf die Frage stellte, warum sie keinen richtigen Beruf nachgingen, gibt es heute noch.

Einer von ihnen wurde am Montag, dem 23. August 2010, in Cottbus eingesetzt. Auf einem Parkplatz, im Stadtteil Sandow, lauerte er kurz vor 15 Uhr einem jungen Mann auf, der Kontakte zum Widerstand hat, um ihn als Informanten anzuwerben. Er sei vom Innenministerium und wolle ihn als Zuträger von Informationen über die internen Strukturen der Gruppen in der Region gewinnen. Anders als in der Vergangenheit endete der Anwerbeversuch des etwa 40-Jährigen mit Halbglatze und auffallend schlechten Zähnen jedoch nicht mit einer wüsten Drohung, sondern mit einer Bitte. Er solle seinem Herzen einen Ruck geben, da die Versuche, einen Informanten zu gewinnen, in der Vergangenheit immer scheiterten.

Der Betroffene jedoch gab seinem Herzen keinen Ruck und verweigerte sich einer Zusammenarbeit mit dem Ministerium, sodass zumindest die Hoffnung bleibt, dass der Mann vielleicht irgendwann einmal die Konsequenz aus dem Scheitern zieht und doch noch einen anständigen Beruf erlernt…

Seit Jahren versucht der Verfassungsschutz, Informationen über den Widerstand in Südbrandenburg abzuschöpfen. So kam es in der Vergangenheit zu mehreren Anwerbeversuchen:

12.03.2010 – Anwerbeversuch in Lübben
26.01.2010 – Anwerbeversuch in Cottbus
19.11.2009 – Anwerbeversuch in Guben
19.11.2009 – Anwerbeversuch in Vetschau
23.03.2009 – Anwerbeversuch in Lübbenau
15.11.2008 – Anwerbeversuch in Schwarzheide
20.08.2008 – Anwerbeversuch in Spremberg
27.03.2008 – Anwerbeversuch in Lübben
20.03.2008 – Anwerbeversuch in Senftenberg
25.01.2008 – Anwerbeversuch in Cottbus
15.01.2008 – Anwerbeversuch in Vetschau
08.01.2007 – Anwerbeversuch in Cottbus
19.07.2006 – Anwerbeversuch in Cottbus
17.07.2006 – Anwerbeversuch in Cottbus
21.06.2006 – Anwerbeversuch in Lübben
30.03.2006 – Anwerbeversuch in Guben
24.03.2006 – Anwerbeversuch in Guben

Für Anwerbeversuche gilt:

Verweigere Dich den Anwerbeversuchen des Apparates. Sage deutlich, dass Du zu keinem Gespräch mit ihnen bereit bist. Es besteht überhaupt keine Pflicht, mit Bullen oder Agenten zu sprechen. Es ist zum Schutz des Widerstandes und zur eigenen Sicherheit wichtig, dass solche Anwerbeversuche bereits am Anfang konsequent abgeblockt werden.
Fotografiere den Agenten mit der Kamera Deines Handys. Das sollte ihn abschrecken und die Bilder können andere schützen.
Findet der Anwerbeversuch in der Öffentlichkeit statt, schrei laut heraus, dass es sich um einen Agenten des Systems handelt. Lass die Menschen um Dich herum wissen, dass die Überwachung und Unterdrückung unseres Volkes noch genau so real ist, wie vor dem Fall der Mauer.
Informiere Deine Freunde über den Anwerbeversuch, fertige ein Gedankenprotokoll an und sende es zur Veröffentlichung an eine Netzseite in Deiner Region.

Die Stasi 2.0 – Schnüffler treiben sich nicht nur in Südbrandenburg rum, auch aus Teltow – Fläming wurden Anquatschversuche gemeldet.

Quelle: spreelichter.info

Sie müssen eingeloggt sein, um ein Kommentar abzugeben.